US-Zölle: Stolpersteine und Praxistipps für Unternehmen
Ob Maschinen, Präzisionsteile, Textilien oder Konsumgüter: Der US-Markt ist für die Schweizer Wirtschaft essenziell. Doch viele Unternehmen kämpfen mit grossen Unsicherheiten rund um Zollvorschriften, Ursprungsregeln und Sonderzölle. Remo Wild, Leiter Exportdienste der Industrie- und Handelskammer St.Gallen-Appenzell, zeigt mögliche Stolpersteine auf und gibt praxisnahe Tipps für den Export in die USA.
Inhaltsübersicht
- Rahmenbedingungen: So funktioniert das US-Zollsystem
- Zollarten: Verschiedene Zölle beim Export in die USA
- Zolldeal mit USA: Wirksamkeit wohl frühestens im 1. Quartal 2026
- Ausnahmen bei Schutzzöllen
- Warenursprung: Jeder Staat hat seine eigene Definition
- Praxisbeispiel: Der Fall Volvo
- Zolltarifnummer: Korrekte Tarifierung ist entscheidend für die Zollberechnung
- Incoterms: Internationale Handelsklauseln beeinflussen Zollwert
- Praxistipps in der Übersicht
Remo Wild
Industrie- und Handelskammer (IHK) St.Gallen-Appenzell
Leiter Exportdienste
Rahmenbedingungen: So funktioniert das US-Zollsystem
Für eine verlässliche Einschätzung der aktuellen Situation bezüglich der US-Zölle müssen zuerst die Rahmenbedingungen bekannt sein. Wie die meisten Zolltarife weltweit basiert auch der US-Zolltarif «Harmonized Tariff Schedule of the United States» (HTSUS) auf dem internationalen «Harmonisierten System» (HS). Der HTSUS legt die Zollsätze für alle in die USA importierten Waren fest. Bei der Einfuhr in die USA gelten die sogenannten «U.S. Non-Preferential Rules of Origin» bzw. die nichtpräferenziellen Ursprungsregeln der USA. Das heisst: Bei Schweizer Exporten in die USA richtet sich der Warenursprung nicht nach Handelsabkommen, sondern nach den US-amerikanischen Regeln.
Zollarten: Verschiedene Zölle beim Export in die USA
Grundsätzlich gilt es zu klären, welche Zölle beim Import in die USA genau anfallen. Es gibt verschiedene Zollarten, die sich in Herkunft, Zweck und Berechnungsgrundlage unterscheiden. Für bestimmte Produkte können alle Zollansätze zum Tragen kommen, während für andere nur der MFN-Zollansatz gilt:
- Der MFN-Zollsatz (Most Favoured Nation) ist der standardmässige, nichtdiskriminierende Zollsatz, den ein Land auf Importe von anderen Mitgliedern der Welthandelsorganisation (WTO) anwendet.
- Der Grundsatz besagt, dass Zollvorteile, Handelsvergünstigungen oder sonstige handelsbezogene Vorteile, die einem Handelspartner gewährt werden, automatisch auf alle WTO-Mitglieder übertragen werden müssen – es sei denn, es greifen Präferenzregelungen aufgrund von Freihandelsabkommen.
- Dieser Zollsatz wird bei der Einfuhr in die USA auf alle Waren angewendet, sofern ein Zollansatz auf der Zolltarifnummer hinterlegt ist.
- Die länderspezifischen Zollsätze (reciprocal tariffs) richten sich nach dem Ursprungsland einer Ware und unterscheiden sich in ihrer Höhe.
- Für die meisten Waren mit Schweizer Ursprung gilt zurzeit ein reziproker Zollsatz von 39%.
- Bei Waren mit einem US-Anteil von mindestens 20% wird der Zusatzzoll ausschliesslich auf den Wert des Nicht-US-Anteils erhoben.
- Die sektoralen Schutzzölle dienen dem Schutz der US-amerikanischen Stahl- und Aluminiumindustrie.
- Seit dem 4. Juni 2025 gilt bei der Einfuhr von Stahl- und Aluminiumerzeugnissen ein Zollsatz von 50%.
- Betroffen sind auch Halberzeugnisse aus Kupfer sowie Derivate bzw. Waren, die nur teilweise aus Stahl oder Aluminium bestehen – wie beispielsweise Maschinen, Haushaltsgeräte, Fitnessgeräte oder Möbel. Für diese Waren gelten die Section-232-Zölle (Zölle auf Warenimporte, die eine potenzielle Gefahr für die nationale Sicherheit darstellen) nur für den Stahl- und Aluminiumanteil.
- Kann der Exporteur den Stahl- oder Aluminiumanteil nicht ermitteln, wird der Zollsatz auf den gesamten Warenwert fällig. Lässt sich der Ursprung nicht belegen, droht gar ein pauschaler Zollsatz von 200%.
- Eine Ausnahme bilden Waren aus Grossbritannien, für die aufgrund des abgeschlossenen Handelsabkommens zwischen den USA und Grossbritannien ein Zollsatz von 25% anfällt.
- Mit einer weiteren Proclamation vom 30. Juli 2025 führte das Weisse Haus per 1. August 2025 auch Schutzzölle in Höhe von 50% auf Kupfer und intensive Kupferderivate ein
Zolldeal mit USA: Wirksamkeit wohl frühestens im 1. Quartal 2026
- Am 14. November 2025 hat das Weisse Haus den aus Schweizer Sicht langersehnten Zolldeal verkündet. Die Höhe des Zollansatzes für Waren mit Schweizer Ursprung soll demnach demjenigen Zollsatz für Waren mit EU-Ursprung entsprechen. Konkret: Für Waren mit Schweizer Ursprung soll ein pauschaler Zollsatz von 15% gelten, einschliesslich des MFN-Zollsatzes.
- Beträgt der MFN-Zollsatz mehr als 15%, so gilt der höhere MFN-Zollsatz. Beispiel: Damenkleider aus synthetischen Fasern mit der HTSUS-Nummer 6204.43.4030 (= MFN-Zollsatz 16%).
- Zurzeit handelt es sich noch um eine unverbindliche, gegenseitige Absichtserklärung. Für ein rechtsverbindliches Abkommen muss dieses zuerst den parlamentarischen Prozess durchlaufen. Im Falle eines Referendums entscheidet gar der Volkswille. Die früheste Wirksamkeit des Zolldeals ist daher wohl erst im 1. Quartal 2026 zu erwarten.
Beispiele
Zollansätze für in der Schweiz hergestellte, rezeptfreie Tabletten mit 500 mg Paracetamol (Einzelverpackung mit der Zolltarifnummer 3004.90.92.29 gemäss HTSUS):
| Beschreibung | Zollansatz |
Geltungsbereich |
| MFN-Zollsatz |
0.0% |
Bei Einfuhren aus allen Ländern |
Zollansätze für in der Schweiz hergestellte Skier mit der Zolltarifnummer 9506.11.40.80 gemäss HTSUS:
| Beschreibung |
Zollansatz |
Geltungsbereich |
| MFN-Zollsatz | 2.6% | Bei Einfuhren aus allen Ländern |
| Länderspezifischer Zoll Schweiz |
39% |
Gilt nur für Waren mit Ursprung Schweiz |
| Sektoraler Schutzzoll auf Stahl- und Aluminiumanteile | 50% | Gilt für Einfuhren aller Länder (ausgenommen der erwähnten Ausnahmen) |
Ausnahmen bei Schutzzöllen
Für Autos und Autoteile gilt ein Zollsatz von 25%. Waren, die unter das USMCA-Abkommen (United States-Mexico-Canada Agreement) fallen, sind von diesen Schutzzöllen ausgenommen. Zudem gibt es die Möglichkeit, bei einer Fertigung in den USA einen Teil der Zölle zurückzufordern. Generell gelten diese Zölle nur für bestimmte Zolltarifnummern. Eine genaue Prüfung der entsprechenden Proclamations ist daher unerlässlich.
Warenursprung: Jeder Staat hat seine eigene Definition
Bei Warenimporten in die USA gelten die nichtpräferenziellen Ursprungsregeln dieses Landes. Wichtig: Fast jeder Staat hat eigene Ursprungsregeln erlassen. Es gibt zwar Bestrebungen zur Harmonisierung, doch eine Umsetzung scheint fast unmöglich. In der Schweiz regeln die Verordnung über die Beglaubigung des nichtpräferenziellen Ursprungs von Waren (VUB) und die Verordnung des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) über die Beglaubigung des nichtpräferenziellen Ursprungs von Waren (VUB-WBF) die Ursprungsfrage. Diese sehen im Wesentlichen das Prinzip der letzten genügenden Be- oder Verarbeitung vor. Im Gegensatz dazu sieht das US-Zollrecht nebst der vollständigen Herstellung bzw. Gewinnung in einem Land das Prinzip der „wesentlichen Umwandlung“ (Substantial Transformation) vor, das sehr streng ausgelegt wird.
Praxisbeispiel: Der Fall Volvo
Die US-Zollbehörde Customs and Border Protection (CBP) befasste sich 2019 mit dem zollrechtlichen Ursprung von Volvo-Automobilen. Dabei ging es um die Frage, ob die Endmontage zahlreicher chinesischer Baugruppen in Schweden eine «wesentliche Umwandlung» darstellt – und zwar eine so wesentliche, dass sich der Ursprung der Fahrzeuge für US-Zollzwecke von China nach Schweden verlagert.
Das CBP hat am 26. Juli 2019 (veröffentlicht am 2. Oktober 2019) entschieden, dass die schwedische Montage keine wesentliche Umwandlung darstellte. Folglich stufte die Behörde die Fahrzeuge als chinesische Waren ein, die gemäss Abschnitt 301 des Handelsgesetzes mit zusätzlichen Zöllen belegt sind.
Die Argumentation basierte auf zwei zentralen Erwägungen:
- Die eingeführten Unterbaugruppen (fünf Hauptmodule) waren für eine bestimmte Endverwendung im endgültigen Fahrzeug vorbestimmt.
- Die schwedischen Montagevorgänge änderten ihren wesentlichen Charakter, ihre technische Identität oder ihre beabsichtigte Funktion nicht.
Obwohl die Endmontage wirtschaftlich wichtig war, stellte das CBP fest, dass sie nicht die notwendige technische Tiefe hatte, um einen neuen Handelsartikel darzustellen. Die Unterbaugruppen behielten nach der Montage ihre wirtschaftliche und funktionale Identität bei. Das bedeutet, dass dieser Vorgang als Integration und nicht als Verarbeitung angesehen wurde. Das CBP betonte zudem, dass vorgefertigte Module mit definierten Funktionen nur selten ihre Identität durch die Endmontage verlieren.
Zolltarifnummer: Korrekte Tarifierung ist entscheidend für Zollberechnung
Exportorientierte Firmen müssen sich mit der Einreihung ihrer Produkte in die korrekte Zolltarifnummer beschäftigen. Verwendet eine Firma falsche Zolltarifnummern, kann dies dazu führen, dass bei der Einfuhr in die USA falsche Zollansätze zur Berechnung der Zollabgaben herangezogen werden. Entweder bezahlt der Importeur zu viel Zollabgaben und füllt damit die Haushaltskasse der USA unnötig auf. Oder er bezahlt zu wenig und muss mit empfindlichen Bussen rechnen. In diesem Fall begeht der Importeur unwissentlich Steuerhinterziehung, da Zölle grundsätzlich mit Steuern gleichzusetzen sind. Die Verwendung einer falschen Zolltarifnummer ist also nicht nur ein ärgerliches Missgeschick, sondern kann eine schwerwiegende Straftat darstellen.
Incoterms: Internationale Handelsklauseln beeinflussen Zollwert
Es ist ratsam, sich mit den einzelnen Klauseln der Incoterms® (internationale Handelsklauseln der internationalen Handelskammer) auseinanderzusetzen. In den USA basiert die Berechnung der Zollabgaben auf dem FOB-Wert (Free On Board). Dieser Begriff bezeichnet den Wert einer Ware ohne die Transportkosten des Hauptverkehrsträgers. Somit kann die Zollbelastung, wenn auch meist nur geringfügig, etwas gesenkt werden.
Praxistipps in der Übersicht
Vorbereitung und Dokumentation
- Exportdokumente vollständig und konsistent halten
- Metall- und Ursprungsnachweise frühzeitig einholen
- Zolltarifnummern durch Fachstellen verifizieren
Strategische Zolloptimierung
- Produktionsanteile prüfen (US-/Nicht-US-Komponenten)
- Möglichkeit der Fertigung in den USA evaluieren (Rückerstattungspotenzial)
- Incoterms zur Kostensteuerung gezielt einsetzen
Monitoring und Weiterbildung
- Proclamations und Änderungen im US-Zollrecht regelmässig prüfen
- CBP-Verlautbarungen (z. B. Section 232 oder 301) im Blick behalten
- Mitarbeitende regelmässig zu Ursprungsregeln schulen
Industrie- und Handelskammer St.Gallen-Appenzell
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) St.Gallen-Appenzell ist das Kompetenzzentrum und die erste Anlaufstelle für wirtschaftspolitische, regionalökonomische und exportbezogene Themen. Das Team der Exportdienste unterstützt täglich zahlreiche Unternehmen in Aussenhandelsfragen. Ausserdem bietet die IHK praxisorientierte Halb- und Ganztagesseminare zu unterschiedlichen Themen des internationalen Warenverkehrs an. IHK-Mitglieder profitieren dabei von attraktiven Vorzugskonditionen. Soll ein ganzes Team, eine Abteilung oder die ganze Firma geschult werden, bietet die IHK auch massgeschneiderte Schulungen vor Ort an. Für Fragen oder weitere Informationen erteilt Remo Wild, Leiter Exportdienste, gerne nähere Auskünfte.
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