Arbeitsmarkt in der Ostschweiz: Abkühlung nach Boomjahren
Die schwache Nachfrage aus Europa hinterlässt Spuren: Die Arbeitslosigkeit steigt leicht, die Zahl offener Stellen sinkt. Zwischen den Branchen gibt es aber grosse Unterschiede. Während die Industrie unter Überkapazitäten leidet, kämpft das Baugewerbe weiterhin mit einem Fachkräftemangel. Der angespannte Arbeitsmarkt führt zu einer höheren Preissensitivität.
Die Ostschweizer Industrie leidet bereits seit geraumer Zeit unter der schwachen Nachfrage aus Europa und insbesondere aus der deutschen Automobilindustrie. Seit April kommen zudem die Auswirkungen der US-Handelspolitik hinzu. Dies zeigt sich auch auf dem Arbeitsmarkt, der sich zuletzt leicht abgeschwächt hat. Noch vor zwei Jahren hatte die Arbeitslosenquote im Kanton St. Gallen mit 1.4% den tiefsten Stand der letzten Jahre erreicht. Seither hat sie sich schleichend auf 2.0% erhöht. Alarmierend ist die Situation aktuell jedoch nicht: Der Anstieg signalisiert zwar eine Abkühlung, die Quote liegt aber weiterhin im langjährigen Durchschnitt.
Weniger offene Stellen
Die Zahl der offenen Stellen ist rückläufig. Im zweiten Quartal 2025 waren in der Ostschweiz rund 6% weniger Stellen ausgeschrieben als im Vorquartal. Im Jahresvergleich beträgt das Minus gar 13%. Einerseits sind die Auftragsbücher vieler Unternehmen unterdurchschnittlich gefüllt – das äussert sich in einem geringeren Bedarf an zusätzlichem Personal. Andererseits lassen sich offene Stellen in vielen Bereichen mittlerweile wieder leichter besetzen.
Industrie leidet unter Überkapazitäten, Baugewerbe unter Fachkräftemangel
Zwischen den einzelnen Branchen gibt es jedoch deutliche Unterschiede. Die Industrie leidet unter Überkapazitäten, so dass Entlassungen teilweise unvermeidlich sind. Das Baugewerbe kämpft hingegen weiterhin mit einem ausgeprägten Fachkräftemangel, der sich noch weiter verschärfen dürfte. Denn während der Übergangsphase bis zur Abschaffung des Eigenmietwerts ist mit einem Boom im Bereich Renovationen und Sanierungen zu rechnen. Insgesamt hat sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt jedoch entspannt. So findet der Detailhandel beispielsweise wieder genügend Personal.
Arbeitsmarkt entscheidend für Konsum
Der Arbeitsmarkt spielt eine zentrale Rolle für den privaten Konsum. In Phasen erhöhter Unsicherheit und sinkender Job-Sicherheit halten sich Konsumentinnen und Konsumenten bei grösseren Ausgaben eher zurück. Laut der schweizweiten Befragung des SECO zur Konsumentenstimmung hat sich die Einschätzung der Arbeitsplatzsicherheit zuletzt merklich verschlechtert. Entsprechend berichten konsumnahe Branchen wie der Detailhandel von einer gewissen Zurückhaltung. Zudem hat auch die Preissensitivität zugenommen: Während Premium- und Markenprodukte eher im Regal bleiben, greifen Konsumentinnen und Konsumenten vermehrt zu günstigeren Alternativen. Trotz des nachlassenden Schwungs am Arbeitsmarkt bleibt der Binnenmarkt aber solide und eine wichtige Stütze der Ostschweizer Wirtschaft.
Herausgegriffen: Kurzarbeit in der Ostschweiz nimmt zu – vor allem Industriebetriebe betroffen
Viele Unternehmen verzichten trotz Überkapazitäten vorerst auf Entlassungen und setzen stattdessen auf Kurzarbeit. Spätestens seit der Pandemie ist dieses Instrument weithin bekannt und wird inzwischen häufiger eingesetzt als etwa nach dem Frankenschock. In den letzten zwei Jahren hat die abgerechnete Kurzarbeit im Kanton St. Gallen deutlich zugenommen. Besonders stark betroffen ist die Elektroindustrie. Doch auch andere MEM-Branchen (Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie) setzen auf Kurzarbeit, um Phasen tiefer Nachfrage zu überbrücken. Viele Betriebe melden Kurzarbeit vorsorglich an, um im Bedarfsfall flexibel reagieren zu können. Tatsächlich wird jedoch deutlich weniger Kurzarbeit abgerechnet, als ursprünglich beantragt. Das zeigt, wie schwierig es für die Unternehmen derzeit ist, ihre Geschäftslage einzuschätzen. Die US-Zölle werden bislang nur vereinzelt als Ursache für Kurzarbeit genannt. Häufiger werden sie jedoch als Grund für Verlängerungen von Kurzarbeitsphasen genannt. Das deutet darauf hin, dass sie vor allem Firmen treffen, die bereits zuvor unter wirtschaftlichem Druck standen.
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