
Osterwalder St. Gallen AG: Vom Mineralölhändler zum Vorreiter für grüne Energie
Die Osterwalder Gruppe stellt sich mutig der Transformation. Geschäftsführer Martin Osterwalder spricht im Interview über erneuerbare Energien, Pionierarbeit mit Wasserstoff – und was ihn als Unternehmer motiviert.
Die Osterwalder Gruppe mit Hauptsitz in St.Gallen gehört seit über 140 Jahren zu den führenden Anbietern von Energie- und Mobilitätslösungen in der Ostschweiz und betreibt unter anderem rund 500 AVIA-Tankstellen in der Schweiz. Was einst als klassischer Mineralölhändler begann, entwickelt sich heute unter der Leitung der Brüder Martin und Thomas Osterwalder zu einem zukunftsorientierten Unternehmen mit Fokus auf erneuerbare Energien, E-Mobilität und nachhaltige Gebäudetechnik. Im Interview spricht Martin Osterwalder über die Vision, die er für sein Unternehmen hat und den aktuellen Stand des Transformationsprozesses.

Martin Osterwalder
CO-CEO
Osterwalder St. Gallen AG
«Wir schätzen, dass die SGKB mit uns sehr kollaborativ unterwegs ist. So bekommen wir zum Beispiel qualifiziertes Feedback auf komplexe Projektrechnungen oder werden auf Risiken aufmerksam gemacht, die wir noch nicht im Fokus hatten.»
Herr Osterwalder, was hat Sie dazu bewegt, den Schritt vom klassischen Mineralölhändler hin zu einem Unternehmen zu wagen, das sich für eine grüne und nachhaltige Zukunft engagieren möchte?
Dies war für uns ein logischer Schritt. Denn die Ressource Erdöl ist endlich und somit ist auch das Geschäft mit Mineralöl irgendwann vorbei. Um die Zukunft für unser Unternehmen zu sichern, haben wir daher bereits vor rund 10 Jahren damit angefangen, unsere Strategie zu überarbeiten und das Geschäft weiterzuentwickeln in Richtung Nachhaltigkeit. Mein Bruder Thomas Osterwalder und ich führen die Osterwalder Gruppe bereits in 6. Generation. Es ist uns ein grosses Anliegen, dass auch die nächste Generation ein gesundes und erfolgreiches Unternehmen weiterführen kann. Die strategische Diversifikation in den Bereichen Energie, Mobilität und Immobilien liegt auf der Hand: Hier haben wir bereits viel Erfahrung, gute Partnerschaften und ein grosses Netzwerk.
Wie sieht Ihre langfristige Vision für die Osterwalder Gruppe im Bereich erneuerbare Energien aus?
Die konventionellen Tankstellen, bei denen man Benzin tanken kann, wird es noch eine lange Zeit lang geben. Und auch Heizöl wird es noch einige Jahre brauchen. Daher gibt es für uns kein «Entweder-Oder» sondern ein «Sowohl-Als-Auch», wenn es um fossile oder erneuerbare Energien geht. Aber für uns ist klar, dass wir in die erneuerbaren Energien investieren und auf Dekarbonisierung setzen müssen, weil dies die Zukunft ist. Entsprechend bauen wir verschiedene neue Geschäftsfelder auf, welche die Dekarbonisierung unterstützen. Mit AVIA Solar bieten wir zum Beispiel Photovoltaikanlagen aus europäischer AVIA-Produktion und leisten damit einen wertvollen Beitrag zur Energiewende. Mit AVIA VOLT wiederum widmen wir uns dem gesamten Thema rund um die E-Mobilität. Mit der Hablützel Gebäudetechnik widmen wir uns der nachhaltigen Haustechnik sowie der Energieoptimierung in Gebäuden, um den CO2-Ausstoss zu reduzieren.
Welche Rolle spielt Wasserstoff Ihrer Meinung nach in der zukünftigen Energieversorgung der Schweiz und Europas? Wie ist der aktuelle Stand punkto Wasserstoff-Tankstellen?
Wasserstoff ist einer der Treibstoffe für die Mobilität der Zukunft. Wasserstoff reagiert in der Brennstoffzelle mit Sauerstoff, wodurch Strom erzeugt wird. Das Brennstoffzellenfahrzeug ist ein Elektroauto mit Reichweitenvorteil im Vergleich zu rein batterieelektrischen Fahrzeugen. Beim Einsatz von Wasserstoff entstehen keine lokalen CO2-Emissionen, sondern lediglich Wasserdampf. Regenerativ erzeugt, leistet Wasserstoff einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Wenn das Energiesystem dekarbonisiert werden soll, wird Wasserstoff eine wichtige Rolle spielen. Aber klar, die Infrastruktur muss zuerst aufgebaut werden. Das dauert. Die aktuelle Infrastruktur für die fossilen Energieträger wurde auch über viele Jahrzehnte aufgebaut, das vergisst man manchmal. Der Aufbau dieser neuen Infrastruktur ist zudem komplex, da viele verschiedene Player involviert sind – vom Staat, der die gesetzlichen Rahmenbedingungen schafft, über die Unternehmen, die investieren müssen in die neue Technologie bis zu den Anwendern, die auf die neue Technologie umsteigen sollen. Man ist auf allen Ebenen dran, aber es ist ein bisschen wie beim Huhn-Ei-Problem: Was ist zuerst da, die Infrastruktur oder die Fahrzeuge mit den Anwenderinnen und Anwendern? Es braucht beides.
Welche internen Herausforderungen mussten Sie bei der Transformation Ihres Unternehmens meistern?
Wir haben viele langjährige Mitarbeitende, die sich sehr mit unseren bisherigen Leistungen identifizierten. Da gab es zuerst viele Fragen. Wir haben versucht alle Mitarbeitenden im Strategieprozess immer wieder mitzunehmen und zu beteiligen. Es war also nicht nur ein Top-Down-Prozess. Während der letzten Jahre gab es einige Pensionierungen bei uns, so dass einige jüngere Mitarbeitende neu bei uns tätig sind – auch in Kaderpositionen. Gerade die Jüngeren stehen Veränderungen mit grosser Offenheit gegenüber.
Gab es externe Hürden, die den Wandel erschwert haben?
Die Hürden waren und sind gigantisch! Wenn es darum geht, eine Wasserstofftankstelle zu bauen und zu betreiben, waren wir absolute Pioniere. Dies war auch für die Behörden ein Novum, entsprechend waren viele regulatorischen Rahmenbedingungen noch gar nicht vorhanden. Es ist also sehr aufwändig, eine Baubewilligung zu erhalten und man muss sich auf ein Ping-Pong-Spiel zwischen den nationalen, kantonalen und kommunalen Ebenen einstellen. In vielen Bereich fehlen aktuell noch einheitliche Standards seitens Gesetzgeber. Trotzdem muss ich sagen, dass wir mit unserem Engagement von allen Seiten gut unterstützt worden sind.
Im St.Galler Kubel gibt es seit einigen Jahren ein weiteres Pionierprojekt, bei dem die Osterwalder Gruppe beteiligt ist: Ein Wasserkraftwerk zur Produktion von grünem Wasserstoff. Können Sie mehr dazu erzählen?
Wir mussten für die Idee mit der grünen Wasserstoffproduktion zuerst einen passenden Partner finden. Mit der SAK (St.Gallisch-Appenzellische Kraftwerke AG) haben wir schnell das richtige Unternehmen gefunden, das entsprechendes Know-how mitbrachte und selbst schon Wasserkraftwerke betrieb. Die Idee ist auf offene Ohren gestossen. Später ist auch die SN Erneuerbare Energie AG ins Projekt eingestiegen. Die Produktionsanlage ist eine der ersten in der Schweiz. Sie bezieht den Strom direkt vom angrenzenden Wasserkraftwerk und produziert damit CO2-neutralen Wasserstoff aus Wasserkraft. Die Elektrolyse-Anlage verfügt über eine Produktionsrate von 36 kg Wasserstoff pro Stunde und eine elektrische Leistung von 2 MW. Es werden somit jährlich ca. 250 Tonnen grüner Wasserstoff produziert. Damit lassen sich täglich drei bis vier Wasserstoff-Container an die Tankstellen der Osterwalder Gruppe und weitere Standorte liefern.
Welche weiteren Projekte oder Innovationen sind aktuell in Planung oder bereits in Umsetzung?
Aktuell steht für uns die Konsolidierung im Vordergrund. Es geht darum, die verschiedenen strategischen Projekte und Geschäftsbereiche wie AVIA VOLT, AVIA Solar und das Thema Wasserstoff erfolgreich zu machen, bzw. zum Fliegen zu bringen.
Welche Rolle spielt die St.Galler Kantonalbank bei dieser Transformation?
Wir haben einen sehr engen Draht zu unserem Kundenberater in der St.Galler Kantonalbank. Wir schätzen, dass die SGKB mit uns sehr kollaborativ unterwegs ist und wir gerade bei finanziellen Themen immer einen kompetenten Ansprechpartner haben. So bekommen wir zum Beispiel qualifiziertes Feedback auf komplexe Projektrechnungen oder werden auf Risiken aufmerksam gemacht, die wir noch nicht im Fokus hatten. Zudem profitieren wir vom riesigen Netzwerk der SGKB.
Was raten Sie anderen KMU-Inhabern, die ebenfalls nachhaltiger wirtschaften möchten, aber noch vor grossen Veränderungen stehen?
Zuerst einmal: Ob der Transformationsprozess, den wir angestossen haben, erfolgreich sein wird, können wir erst in einigen Jahren rückblickend sagen. Daher bin ich vorsichtig mit Ratschlägen. Uns ist die Zukunftssicherung des Unternehmens wichtig. Ich denke, es macht Sinn, langfristig zu denken und nicht nur die kurzfristigen Erfolge im Blick zu haben. Veränderungen sind immer mit Risiken verbunden. Es braucht Mut dazu, diese konsequent zu verfolgen. Aber für mich als Unternehmer ist es auch genau das, was mich motiviert: Eine Vision zu entwickeln, innovativ zu sein und gestalten zu können.
Zum Schluss: Welches ist für Sie persönlich die schönste ihrer AVIA-Tankstellen?
Das ist die Tankstelle bei Rona auf dem Julier-Pass. Wunderschön gelegen nach dem Marmorea-Stausee taucht sie wie aus dem Nichts auf. Getankt habe ich dort jedoch in letzter Zeit nicht mehr: Ich fahre seit Jahren elektrisch und dort haben wir noch keine E-Ladesäule aufgestellt.

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