21. Juli 2025, Meine Anlagewelt | Tägliche Marktsicht

Warum der Sommer an den Märkten Wachsamkeit erfordert

Auch vermeintlich ruhige Sommermärkte bergen Risiken. Eine breit diversifizierte Anlagestrategie bleibt der beste Schutz vor Überraschungen.

Im Fokus

Der Start ins dritte Quartal ist an den Finanzmärkten oft geprägt von Ferienstimmung und sommerlicher Ruhe. Die Handelsvolumina sinken und die Marktbewegungen flachen ab. Juli und August zählen gemeinsam mit dem Dezember zu den umsatzschwächsten Börsenmonaten. Das weltweite Aktienhandelsvolumen liegt in dieser Phase bis zu 15% unter dem Jahresdurchschnitt. Gerade in Phasen mit geringerer Liquidität kann es an den Märkten zu plötzlichen Turbulenzen kommen. So etwa im August 2024, als ein unerwartet schwacher US-Arbeitsmarktbericht Sorgen vor einer Konjunkturdelle schürte. Gleichzeitig hob die Bank of Japan die Leitzinsen an, was zur abrupten Auflösung von Yen-Carry-Trades führte und den japanischen Aktienindex Topix an einem Tag um über 12% einbrechen liess. Viele Investoren leihen sich in Japan Geld zu sehr tiefen Zinsen, um es anderswo gewinnbringend anzulegen. Zwei Jahre zuvor, im Sommer 2022, lösten restriktive Aussagen des Vorsitzenden der US-Notenbank Jerome Powell am Notenbanksymposium in Jackson Hole eine scharfe Korrektur aus. Der S&P 500 verlor im August über 4%, im September weitere 10%.

Wird die Gefahr durch die US-Zölle unterschätzt?
Diese Beispiele verdeutlichen, dass der Sommer oft trügerisch ruhig ist. Auch im laufenden Jahr sollten Anleger wachsam bleiben. Der wichtigste Unsicherheitsfaktor ist und bleibt die amerikanische Handelspolitik. US-Präsident Trump droht weiterhin mit neuen Zöllen, neuerdings mit dem Stichtag 1. August. Die Finanzmärkte reagieren bislang erstaunlich gelassen. Der „Taco Trade“, ein Akronym für „Trump always chickens out“, beschreibt die verbreitete Erwartung, dass der amerikanische Präsident seine Drohungen letztlich doch nicht umsetzt. Allerdings hat Trump die Zölle bereits mehrfach deutlich erhöht, auch gegenüber der Schweiz. Zwar fielen die Anpassungen bislang weniger drastisch aus als befürchtet, doch viele Länder haben sich offenbar mit den bestehenden Aufschlägen arrangiert. Aus der relativen Ruhe darf allerdings keine Entwarnung abgeleitet werden. Erstens könnte Trump gerade wegen der weitverbreiteten Taco-Erwartung nun bewusst gegensteuern. Zweitens entfalten viele zollbedingte Effekte erst verzögert ihre Wirkung.

US-Konjunktur stabil, die Geldpolitik bleibt restriktiv
Der US-Arbeitsmarkt zeigt sich zwar nach wie vor robust, die Konsumdaten überraschen positiv und zyklische Sektoren legen zu. Von einer unmittelbar drohenden Rezession ist derzeit keine Rede. Geldpolitisch bleibt das Umfeld jedoch fragil. Zwar bewegen sich die US-Inflationsraten bislang im Rahmen der Erwartungen, doch einzelne Güter- und Dienstleistungspreise ziehen bereits deutlich an. Die US-Notenbank warnt, dass die tatsächlichen Effekte der Importzölle erst in der zweiten Jahreshälfte sichtbar werden dürften. Angesichts der weiterhin soliden US-Konjunktur bleibt der Leitzins vorerst unverändert, was insbesondere Donald Trump gar nicht gefällt. Seit Monaten fordert er eine Senkung der Leitzinsen, um die Konjunktur weiter anzukurbeln. Um Druck aufzubauen, attackiert er Fed-Chef Jerome Powell wiederholt auch persönlich.

Wachsam bleiben und Portfolio breit aufstellen
Ein bedeutender Stabilitätsfaktor bleibt der weltweite KI-Boom sowie die ungebrochene Nachfrage nach Hochleistungschips. In Europa wirken zusätzlich die angekündigten Investitionen in Rüstung und Infrastruktur unterstützend. Diese Trends stärken bislang die Widerstandsfähigkeit der Märkte. Allerdings wird der aktuelle Aufschwung an den Aktienmärkten zunehmend von einer kleineren Zahl von Titeln getragen. Dies war in der Vergangenheit oftmals ein Warnsignal, dass die Anfälligkeit für Kurskorrekturen erhöht ist. Die Liste potenzieller Auslöser für Volatilität ist derzeit lang. Der Handelskonflikt, politische Angriffe auf die Unabhängigkeit der US-Notenbank oder die Zinsentwicklung in Japan zählen zu den Faktoren mit globaler Wirkung. Oft reicht bereits eine unglückliche Kombination verschiedener Faktoren, um deutliche Marktbewegungen auszulösen. Umsichtige Anlegerinnen und Anleger tun daher gut daran, die Sommermonate zur Erholung zu nutzen, ohne dabei die Bedeutung breit diversifizierter Portfolios aus dem Blick zu verlieren.

Aktienmärkte

US-Aktienmärkte:
Dow Jones: -0.32%, S&P500: -0.01%, Nasdaq: +0.05%

Europäische Aktienmärkte:
EuroStoxx50: -0.33%, DAX: -0.33%, SMI: +0.18%

Asiatische Märkte:
Nikkei 225: -0.21%, HangSeng: +1.33%, S&P/ASX 200: +1.37%

Der S&P 500 legte letzte Woche 0.61% zu. Die europäischen Aktien verloren -0.45%, während der Swiss Performance Index die Woche mit einem Plus von 0.71% abschloss. Die Zollfrist am 1. August rückt näher, und mit ihr steigt die Wahrscheinlichkeit für neue Drohungen aus dem Weissen Haus sowie erhöhte Kursschwankungen an den Märkten. Gleichzeitig liefert die laufende US-Berichtssaison bislang einen positiven Impuls für die Börsen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Konsensschätzungen der Analysten in den vergangenen Monaten spürbar nach unten revidiert wurden. Die positive Überraschung erfolgt somit vor dem Hintergrund deutlich gesenkter Erwartungen. In diesem Umfeld bleibt Zurückhaltung geboten. Die Lage erfordert erhöhte Aufmerksamkeit und eine regelmässige Neubewertung. Der Fokus sollte weiterhin auf einer konsequent breit diversifizierten Portfolioausrichtung liegen.

Kapitalmärkte

Rendite 10 Jahre:
USA: 4.42%; DE: 2.69%; CH: 0.47%

Zum Wochenschluss herrschte wenig Bewegung an den Zinsmärkten. Auch im Vergleich zur Vorwoche bewegten sich die Renditen der 10-jährigen Staatsanleihen nur geringfügig. Sowohl in den USA wie auch in der Eurozone steht im Juli nochmals ein Zinsentscheid an. Die EZB entscheidet diesen Donnerstag, die US-Notenbank Fed eine Woche später. Von beiden Notenbanken wird keine Änderung bei den Leitzinsen erwartet.

Währungen

Euro in Franken: 0.9319
US-Dollar in Franken: 0.8013
Euro in US-Dollar: 1.1626

Der US-Dollar hat sich am Freitag sowohl zum Euro als auch zum Franken abgeschwächt und damit den jüngsten Aufwärtstrend beendet. Ein wesentlicher Grund für die erneute Schwäche des US-Dollars sind die gestiegenen Erwartungen an eine baldige Zinssenkung durch die Federal Reserve Bank. Auslöser war eine Aussage von Fed-Gouverneur Christopher Waller, der sich für eine Leitzinssenkung um 25 Basispunkte bei der nächsten Zinssitzung Ende Juli aussprach. Noch vor wenigen Tagen hatten sich mehrere Mitglieder der US-Notenbank eher für ein Abwarten ausgesprochen. Auch der Fed-Vorsitzende Jerome Powell hatte nach dem jüngsten Zinsentscheid betont, man wolle die potenziellen Auswirkungen der US-Zollpolitik auf die Preisentwicklung sorgfältig analysieren, bevor weitere Schritte erfolgen.

Rohwarenmärkte

Ölpreis WTI: USD 67.34 pro Fass
Goldpreis: USD 3'349.94 pro Unze

Der Ölpreis bewegte sich am Freitag nur geringfügig. Auf Wochensicht verlor der Ölpreis der Sorte WTI rund 1.6%. Der Goldpreis legte am Freitag leicht zu und pendelt seit Ende Mai um die Marke von 3'350 US-Dollar pro Unze.

Wirtschaft und Konjunktur

USA: University of Michigan, Konsumentenvertrauen (Juli)
letzte: 60.7; erwartet: 61.5; aktuell: 61.8

Die Stimmung der US-Konsumenten hat sich im Juli weiter aufgehellt. Der Index zum Konsumentenvertrauen der Universität von Michigan stieg von 60.7 im Juni auf 61.8 und erreichte damit den höchsten Stand seit Februar. Der Anstieg signalisiert zunehmenden Optimismus hinsichtlich Konjunktur und Inflation. Allerdings bleibt der Index weiterhin unter dem Niveau, das im vergangenen Jahr über weite Strecken beobachtet wurde. Dies ist ein Zeichen dafür, dass die Konsumentenstimmung zwar steigt, aber noch immer von Zurückhaltung geprägt ist.

Dominik Schmidlin

Portraitfoto von Dominik Schmidlin, Leiter Anlagestrategie und Analyse bei der St.Galler Kantonalbank
Leiter Anlagestrategie und Analyse
Stauffacherstrasse 41
8021 Zürich
Ansicht vom Gebäude der Niederlassung der St.Galler Kantonalbank in Zürich

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