05. Mai 2025, Meine Anlagewelt | Tägliche Marktsicht

Sind die Finanzmärkte zu optimistisch?

Die Welt ist in Aufruhr. Das Zollgebilde von Donald Trump wird immer unübersichtlicher, die Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen laufen unerbittlich weiter, die Amerikaner verlieren fast wöchentlich weitere ihrer Grundrechte und die Unternehmen geben mangels Übersicht über das weitere Geschehen keine Ertragsprognosen mehr ab.

Im Fokus

Die Welt ist in Aufruhr. Das Zollgebilde von Donald Trump wird immer unübersichtlicher, die Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen laufen unerbittlich weiter, die Amerikaner verlieren fast wöchentlich weitere ihrer Grundrechte und die Unternehmen geben mangels Übersicht über das weitere Geschehen keine Ertragsprognosen mehr ab. Die Finanzmärkte haben sich vom Befreiungsschock vom 2. April jedoch erholt. Die amerikanischen Aktien sind wieder auf dem Niveau von Ende März und die Schweizer Aktien haben dieses auch im Blickfeld. Nur der US-Dollar und der Ölpreis dümpeln auf ihren tiefen Niveaus weiter vor sich her. Sind die Anleger naiv oder ist das Schlimmste schon vorüber?

Verzerrte Konjunkturdaten

Das amerikanische BIP-Wachstum ist im ersten Quartal mit annualisierten -0.3% negativ ausgefallen. Gleichzeitig zeigt sich der Arbeitsmarkt weiter von der starken Seite und schafft laufend neue Stellen. Dieser scheinbare Widerspruch zeigt, dass die Konjunkturdaten aus den USA, aber auch aus den anderen Ländern, momentan verzerrt sind. Aus Angst vor den Zöllen wurden die Lager mit noch zollfreien Waren aufgefüllt, was sich über die hohen Importe negativ auf das BIP auswirkt. Gleichzeitig werden der Konsum und die Produktion kurzfristig angekurbelt, was die Nachfrage nach Arbeitskräften erhöht. Wichtiger ist, dass der Handelsstrom aus China in die USA praktisch versiegt ist. Das erinnert an die Lieferkettenprobleme von 2021. Die Preise in den USA werden steigen, die Lücken in den Regalen grösser und die Produktion abnehmen. Die US-Wirtschaft wird sich deutlich abschwächen. Da sie im Unterschied zur Finanzkrise 2008 in einer sehr robusten Verfassung in die Krise gestartet ist, ist ihre Widerstandskraft jedoch grösser. Obschon das Weisse Haus Jubelbotschaften über die Wirtschaft verbreitet, dürfte es dem einen oder anderen im Umfeld von Trump doch klar sein, dass sich die Regierung einen Einbruch der Wirtschaft nicht leisten kann, wenn sie bei den Zwischenwahlen nicht abgestraft werden will. Darauf deutet die Liste der Ausnahmen von den Zöllen hin, die immer länger wird.

Wird die Fed es richten?

In den letzten Jahren war auf die Fed meistens Verlass, wenn es darum ging, die Finanzmärkte in schwierigen Zeiten zu stützen. Die Ausnahme war 2022, als die Fed mit höheren Zinsen auf die steigende Inflation reagierte. Momentan wartet sie zu Recht ab, welche Auswirkungen die Handelspolitik auf die Inflation und die Wirtschaft haben wird. Wichtig in dieser Beurteilung wird sein, wie stark sich die Zölle auf die mittelfristigen Inflationserwartungen auswirken werden. Wenn man die Preise der inflationsgeschützten US-Treasuries als Anhaltspunkt nimmt, erwartet man nur kurzfristig einen Preisanstieg, der sich wieder ausgleichen wird. Solange dies der Fall bleibt, wird die Fed die Zinsen deutlich senken, wenn die Wirtschaft in eine Rezession abgleiten sollte.

Unsicherheit wird bleiben

Wenn man etwas aus den ersten drei Monaten der Regierung Trump gelernt hat, dann ist es, dass nichts sicher ist. Die negative Reaktion der Aktienmärkte auf die Zoll-Aufführung vom 2. April war zu stark. Der rasche Ausgleich der Kursverluste ist ebenfalls übertrieben. Viel dürfte auch mit modellbasierten Handelsstrategien zu tun haben, welche auf Trends setzen. In solch turbulenten Märkten sind diese überfordert und verstärken mit ihren Signalen die fundamentalen Kursveränderungen zur falschen Zeit. Der bessere Indikator für die aktuelle Stimmung an den Finanzmärkten ist der US-Dollar. Dieser zeigt an, dass das Geld nicht in die USA zurückfliesst, allen Investitionsversprechen der globalen Unternehmen zum Trotz.

Das Portfolio mittelfristig ausrichten

Die Marktentwicklung der nächsten Wochen zu prognostizieren, ist schwierig. Zu erratisch und unkontrolliert ist die US-Politik. Kurzfristiges Trading an den Märkten kann man machen. Man ist vielleicht damit auch erfolgreich, wahrscheinlich jedoch nicht. Die Weltwirtschaft wird auch Donald Trump überstehen und sich anpassen. Entsprechend muss das Portfolio nicht auf diesen Sommer, sondern auf die nächsten Jahre ausgerichtet sein. Dazu gehört ein Aktienportfolio mit soliden Unternehmen aus der Old Economy, aber auch ein paar Technologieaktien als Wachstumstreiber. Dazu gehört ein Sicherheitsnetz aus liquiden Anlagen oder sicheren Obligationen mit angesichts der tiefen Zinsen nicht zu langen Laufzeiten. Dazu gehören nicht vollmundige Versprechen von exotischen Anlagemöglichkeiten, die auf viel Leverage basieren.

Aktienmärkte

US-Aktienmärkte
Dow Jones: +1.39%, S&P500: +1.47%, Nasdaq: +1.51%

Europäische Aktienmärkte
EuroStoxx50: +2.42%, DAX: +2.62%, SMI: +1.13%

Asiatische Märkte
Nikkei 225: gschlossen, HangSeng: geschlossen, S&P/ASX 200: -0.81%

Die Aktienmärkte lechzen nach positiven Zeichen. Nach zwei Wochen der Verzweiflung über die angedrohten und teilweise umgesetzten US-Zölle sucht man nach Signalen, dass es vielleicht doch nicht so schlimm kommt. Da kommen die guten Arbeitsmarktzahlen aus den USA für den April gerade recht. Der S&P 500 legte letzte Woche 2.92% zu. Die europäischen Aktien stiegen 2.54%, während der Swiss Performance Index die Woche mit einem Plus von 2.93% abschloss.

Wie es an den Aktienmärkten in den nächsten Wochen weitergeht, hängt davon ab, wie es mit den Zöllen weitergeht. Am besten wäre es, alle Beteiligten würden Ruhe bewahren, bevor sie ihre nächsten Schritte entscheiden und veröffentlichen. Das gilt insbesondere für Donald Trump. Viel wird auch davon abhängen, ob und wie sich ein Widerstand gegen die Zölle in den USA selber aufbauen wird. Bis sich die bereits implementierten Zölle in der Wirtschaft negativ äussern, dauert es noch eine Weile. Es bleibt somit noch Zeit, zur Vernunft zurückzukehren. Sich von seinen Aktien jetzt zu trennen, ist falsch. Die qualitativ guten Unternehmen werden auch diese Belastung überstehen. Sie sind unterschiedlich von den Zöllen betroffen, sowohl direkt als auch indirekt über die Zweitrundeneffekte. Eine gute Diversifikation über verschiedene Titel und Sektoren ist in diesem Umfeld noch wichtiger als sonst schon.

Kapitalmärkte

Renditen 10 J: USA: 4.308%; DE: 2.533%; CH: 0.357%

Die Zinsen in der Schweiz sind wieder auf einem tiefen Niveau angelangt. Obligationen mit kurzen Laufzeiten haben negative Renditen. Negativzinsen der SNB sind gemäss den Markterwartungen wieder das wahrscheinliche Szenario. Das hatte wir im letzten Dezember schon. Wie so vieles ist auch die Zinspolitik der SNB momentan unsicher. Viel wird davon abhängen, ob die SNB die mittelfristige Inflationsentwicklung durch den schwachen US-Dollar als zu tief einschätzt. Dann wird sie den Zins senken. Wenn nicht, gibt es für sie keinen Grund, noch einmal an der Zinsschraube zu drehen.

Währungen

US-Dollar in Franken: 0.8233
Euro in US-Dollar: 1.1335
Euro in Franken: 0.9332

Der US-Dollar kann sich nicht erholen. Das Vertrauen in die Verlässlichkeit der USA hat einen argen Dämpfer erlitten. Der eine oder andere Investor wird sich überlegen, ob Investitionen in den USA und insbesondere in amerikanischen Wertpapieren das Risiko noch wert sind. Der Euro hält sich dagegen wacker. Er wird plötzlich wieder eine Alternative zum Dollar.

Rohstoffmärkte

Ölpreis WTI: USD 55.95 pro Fass
Goldpreis: USD 3'256.10 pro Unze

Der tiefe Ölpreis hat bisher nur bedingt auf die Benzinpreise in den USA durchgeschlagen. Der durchschnittliche Preis von 3.60 US-Dollar pro Gallone ist etwas tiefer als vor einem Monat und deutlich tiefer als vor einem Jahr. Im Vergleich zum Jahresanfang müssen die Amerikaner für ihr Benzin aber mehr bezahlen.

Wirtschaft

USA: Non Farm Payrolls (April) letzte: 185’000; erwartet: 138’000; aktuell: 177’000
USA: Arbeitslosenrate (April) letzte: 4.2%; erwartet: 4.2%; aktuell: 4.2%

Der Arbeitsmarktbericht für den April ist robust ausgefallen. Die wirtschaftliche Unsicherheit durch die Zölle hat bisher weniger stark auf den Arbeitsmarkt durchgeschlagen als befürchtet. Dabei muss beachtet werden, dass der Arbeitsmarkt als nachlaufender Indikator der aktuellen Wirtschaftslage hinterherhinkt.

Thomas Stucki

Portraitfoto von Thomas Stucki, Leiter Investment Center bei der St.Galler Kantonalbank
Leiter Investment Center
Stauffacherstrasse 41
8021 Zürich
Ansicht vom Gebäude der Niederlassung der St.Galler Kantonalbank in Zürich

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