
09. Juli 2025, Konjunktur | Meine Anlagewelt
Ostschweizer Industrie im Gegenwind
Die Stimmung in der Ostschweizer Wirtschaft hat sich seit Jahresbeginn leicht aufgehellt. Allerdings bleibt die Kluft zwischen der robusten Binnenwirtschaft und der angeschlagenen exportorientierten Industrie bestehen. Insbesondere in der Industrie fehlen derzeit konjunkturelle Impulse für eine nachhaltige Belebung. Hinzu kommen die Turbulenzen rund um die US-Handelspolitik.
Die konjunkturelle Lage bleibt zweigeteilt: Während sich der Binnenmarkt als stabiler Pfeiler erweist und der Ostschweizer Wirtschaft Rückhalt bietet – positive Signale kommen etwa aus dem Detailhandel und dem Baugewerbe –, steht die Industrie weiterhin unter Druck. Zu Beginn des Jahres sorgten zwar Vorzieheffekte im Vorfeld der US-Zölle für eine vorübergehende Belebung, doch diese Entwicklung erwies sich als nicht nachhaltig. Zuletzt hat sich die Stimmung in der Industrie erneut eingetrübt. Besonders betroffen ist die in der Ostschweiz stark verankerte Investitionsgüterindustrie, die unter der von den US-Zöllen ausgelösten Unsicherheit leidet. Auch die weiterhin schwache Konjunktur in Deutschland wirkt belastend.

Geschäftslageindikator
Die Grafik zeigt die Differenz zwischen dem Anteil Unternehmen, der die Geschäftslage als gut bezeichnet, und jenem, der sie als schlecht einschätzt. Je höher der Wert, desto besser schätzen die Unternehmen die Geschäftslage ein.
US-Zölle und starker Schweizer Franken belasten Industrie
Während Ostschweizer Industrieunternehmen ihre Marktstellung im Inland weitgehend behaupten oder leicht verbessern konnten, mussten sie international Rückschläge hinnehmen. Dazu dürfte unter anderem die Aufwertung des Schweizer Frankens beigetragen haben. Denn seit der Ankündigung der US-Zölle Anfang April hat der Franken gegenüber dem Euro und noch stärker gegenüber dem US-Dollar an Wert gewonnen. Damit verschlechtert sich die Wettbewerbsfähigkeit in diesen Währungsräumen. Hinzu kommt die Belastung durch die US-Zölle, die Schweizer Exporte direkt verteuern, aber auch die Nachfrage nach Vorleistungsgütern für EU-Exporte in die USA verringern.
Tiefe Auslastung wegen leerer Auftragsbücher
Die schwache Nachfrage spiegelt sich auch in der Auslastung der Produktionskapazitäten wider, die in den letzten Jahren kontinuierlich zurückgegangen ist. Im Vergleich zum Durchschnitt der letzten zehn Jahre – rund 83%, im Maschinenbau gar 87% – liegt die aktuelle Auslastung deutlich darunter. Zwar ist die Auslastung zuletzt leicht gestiegen, insbesondere im Maschinen- und Fahrzeugbau, doch dieser Anstieg dürfte zu einem grossen Teil auf Vorzieheffekte zurückzuführen sein. Im Vorfeld der US-Zölle wurden in den USA Lagerbestände aufgebaut, deren Abbau nun die Auftragseingänge dämpft. Da nachhaltige Impulse weiterhin fehlen, wird die Kapazitätsauslastung voraussichtlich unterdurchschnittlich bleiben.
Unsicherheiten bleiben hoch
Für viele Ostschweizer Unternehmen bleiben die Aussichten schwer kalkulierbar. Neue Entwicklungen im internationalen Zollumfeld können die Rahmenbedingungen rasch verändern. Ein Abkommen mit den USA bringt zwar mehr Planungssicherheit, umgekehrt sind neue Eskalationen im aktuellen Umfeld jederzeit möglich und könnten wieder für Gegenwind sorgen. Neben den Handelsstreitigkeiten spielen auch die Nachfragetrends im europäischen Ausland, insbesondere in Deutschland, eine Schlüsselrolle. Zwar zeichnete sich dort zuletzt eine gewisse Stabilisierung ab, diese war jedoch stark von US-Vorzieheffekten getrieben. Eine belastbare Einschätzung zur weiteren konjunkturellen Entwicklung wird daher erst im Verlauf des zweiten Halbjahrs möglich sein, wenn sich die Auswirkungen der US-Zölle klarer zeigen.
Céline Koster

8021 Zürich

Roman Elbel

8021 Zürich

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