23. Juni 2025, CIO-Sicht | Konjunktur | Meine Anlagewelt

Geplantes US-Gesetz mit Brisanz – Was steckt hinter «Section 899»?

Der «One Big Beautiful Bill Act» (OBBBA) der Trump-Regierung sorgt für Unruhe. Besonders Abschnitt 899 birgt für internationale Investoren Brisanz: Er droht ausländischen Unternehmen und Investoren in den USA mit empfindlichen Steuerzuschlägen. Dies hat potenziell weitreichende Folgen für Handel und Kapitalflüsse. Ob die neuen Steuern auch auf Schweizer Konzerne und Anleger angewendet würden, ist aktuell noch offen.

Um was geht es im One Big Beautiful Bill Act?

Der «One Big Beautiful Bill Act (OBBBA)» der Trump-Administration umfasst mehr als 1’000 Seiten und enthält einen bunten Strauss an Massnahmen. Das Gesetz wurde vom Repräsentantenhaus bereits genehmigt und wird aktuell im Senat behandelt. Die Vorlage wird international in verschiedener Hinsicht kontrovers diskutiert. Zunächst konzentrierte sich die Aufmerksamkeit der Märkte auf die definitive Einführung bisher temporärer Steuersenkungen. Im Zentrum des Interesses standen dabei die Auswirkungen dieser Massnahmen auf das Schuldenniveau und den künftigen Refinanzierungsbedarf. Obwohl diese Bedenken weiterhin bestehen, rückte nun ein zweites Element in den Fokus der Anleger: «Section 899». Deren genaue Ausgestaltung ist noch Gegenstand von Debatten im US-Parlament. In ihrer aktuellen Form würde die Regelung der US-Regierung erlauben, ausländische Personen und Unternehmen zusätzlich zu besteuern, wenn ihr Heimatland «unfaire Steuerpraktiken» auf US-Unternehmen anwendet. Betroffen wären davon Unternehmensgewinne, aber voraussichtlich auch Zinsen, Dividenden und Veräusserungsgewinne aus dem Verkauf von Immobilien. Nicht betroffen wären reine Kursgewinne. Die Einführung der Steuer würde schrittweise erfolgen, wobei sich der zusätzliche Satz von anfangs 5% jedes Jahr um 5 Prozentpunkte bis zu einem Maximum von 15% erhöhen würde.

Durchsetzung der globalen Mindeststeuer im Visier

Welche Länder als Staaten mit «unfairen Steuerpraktiken» eingestuft würden, ist noch nicht definitiv klar. Mit dem aktuell diskutierten Gesetzestext gilt die Regelung u.a. explizit für alle Länder, welche eine «Under Taxed Profit Rule» (UTPR) anwenden. Diese ist Teil des globalen Steuerabkommens der OECD und erlaubt Staaten, die Steuern für ein Unternehmen zu erhöhen, wenn dessen Muttergesellschaft in einem anderen Land weniger als die OECD-Mindeststeuer von 15% zahlt. Im Unterschied zu den EU-Staaten und Ländern wie Grossbritannien, Japan und Südkorea hat die Schweiz die Inkraftsetzung der UTPR bisher aufgeschoben. In dieser Hinsicht wäre die Schweiz also voraussichtlich nicht von der Regelung betroffen. Gemäss Gesetzestext ebenfalls angewendet würde die Steuer auf Länder mit Digitalsteuern (z.B. Kanada). Zusätzlich gibt es eine offen formulierte Bestimmung, nach welcher das US-Finanzministerium die Steuer unter bestimmten Bedingungen auf weitere Länder anwenden könnte. In der Summe lässt sich die direkte Betroffenheit von Schweizer Unternehmen und Anlegern deshalb noch nicht definitiv einschätzen.

Zusätzliches Hindernis für ausländische Unternehmen…

Mit der Regelung würde sich die Steuerlast für ausländische Unternehmen, die in den USA aktiv sind, deutlich erhöhen. Diese Belastung ist ähnlich einem Zoll, auch wenn keine klassischen Importe vorliegen. Dies dürfte den heutigen Handelskonflikt deutlich verschärfen. Auch ausländische Direktinvestitionen könnten einen Rückschlag erleiden, da es für ausländische Unternehmen weniger attraktiv wäre, in den USA tätig zu werden oder US-Unternehmen zu erwerben. Zudem sind Vergeltungsmassnahmen der betroffenen Länder wahrscheinlich. Diese würden die ausländischen Tochtergesellschaften von US-Dienstleistungsunternehmen im Rest der Welt treffen.

… und eine potenzielle Steuerfalle für Anleger

Ebenfalls Anlass zur Sorge gibt, dass nicht nur Unternehmen, sondern voraussichtlich auch natürliche Personen, Staatsfonds und Pensionskassen betroffen wären. Im Fall einer Anwendung der Steuer würden passive Einkünfte aus Kapitalanlagen belastet, z.B. Dividenden oder Coupons aus Unternehmensanleihen. Ob auch US-Staatsanleihen betroffen wären, ist noch nicht definitiv ausgeschlossen, aber nicht zu erwarten. Im aktuellen Gesetzesentwurf wird angedeutet, dass neue Steuerpflichten nicht auf Einkommensquellen angewandt würden, die bereits explizit von einer Steuer befreit sind – wie eben US-Staatsanleihen. Solange der OBBBA nicht final unterzeichnet ist, bleibt aber auch diesbezüglich ein Restrisiko bestehen.

Implikationen für Unternehmen und Anleger

Eine Verabschiedung des Gesetzes gilt als sehr wahrscheinlich. «Section 899» könnte ab 2027 angewendet werden. Ob dies der Fall sein wird, ist aber noch offen. Es ist auch denkbar, dass die Trump-Regierung die Regelung primär als Druckmittel für Verhandlungen nutzt und sie im Endeffekt gar nicht oder nur auf ausgewählte Staaten anwendet. Die weitere Entwicklung und die mögliche Anwendung auf die Schweiz müssen daher genau verfolgt werden. Im Fall einer tatsächlichen Anwendung nach den aktuell bekannten Kriterien wäre die Schweiz zumindest indirekt betroffen, z.B. wenn EU-Konzerne mit US-Tochterfirmen mit höheren Steuern auf in den USA erzielte Gewinne rechnen müssen. Würde die Regel auch auf die Schweiz angewendet, würden diese Belastungen auch entsprechende Schweizer Konzerne betreffen und Schweizer Anleger müssten mit sinkenden Netto-Renditen auf viele US-Anlagen rechnen. Genauere Aussagen dürften nach der definitiven Verabschiedung des Gesetzes möglich sein. Je nach Verlauf der Beratungen könnte dies bereits Mitte Juli der Fall sein.

Roman Elbel

Portraitfoto von Roman Elbel, Senior Strategieanalyst bei der St.Galler Kantonalbank
Senior Strategieanalyst
Stauffacherstrasse 41
8021 Zürich
Ansicht vom Gebäude der Niederlassung der St.Galler Kantonalbank in Zürich

Dominik Schmidlin

Portraitfoto von Dominik Schmidlin, Leiter Anlagestrategie und Analyse bei der St.Galler Kantonalbank
Leiter Anlagestrategie und Analyse
Stauffacherstrasse 41
8021 Zürich
Ansicht vom Gebäude der Niederlassung der St.Galler Kantonalbank in Zürich

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