22. März 2024, Tägliche Marktsicht

Überraschende Zinssenkung der SNB

Die Aufmerksamkeit hatte die Schweizerische Nationalbank gestern auf sicher. Als erste grosse Notenbank hat sie die Zinswende eingeläutet.

Im Fokus

Die Schweizerische Nationalbank hat ihren Leitzins gestern um 25 Basispunkte auf 1.50% gesenkt. Dieser Zinsschritt kommt für uns überraschend, da das Schweizer Zinsniveau in unseren Augen für die Konjunktur kein Bremsklotz war. Das Direktorium der Schweizerischen Nationalbank hat sich dennoch – als erste grosse westliche Zentralbank überhaupt – zu diesem unerwarteten Schritt entschieden.

Geebnet wurde der Boden für die erste SNB-Zinssenkung seit 2015 vom deutlichen Inflationsrückgang der letzten Monate. Neben einer geringeren Teuerung bei den Waren macht die SNB vor allem geringere Zweitrundeneffekte, wie beispielsweise bei den Mietpreisen, dafür verantwortlich. Dies hatte zur Folge, dass die bedingte SNB-Inflationsprognose gegenüber Dezember noch einmal deutlich nach unten revidiert wurde und nun über den gesamten Prognosezeitraum klar im Bereich der Preisstabilität liegt.

Ein tieferer Preisdruck an sich ist in unseren Augen jedoch noch kein Grund für eine rasche Zinssenkung. Viel mehr schätzt die SNB die Wachstumsaussichten für die Schweiz deutlich negativer ein als noch im Dezember. Genannt wurde die schwache Nachfrage aus dem Ausland, insbesondere aus Deutschland. Zudem hat die reale Aufwertung des Frankens im vierten Quartal 2023 die monetären Bedingungen für die Unternehmen erschwert. Die SNB geht davon aus, dass diese Kombination in der Schweiz für eine steigende Arbeitslosigkeit sorgen wird.

Auswirkungen auf unsere Zinsprognosen
Aufgrund der vorzeitigen Zinssenkung der SNB haben wir unsere Zinsprognosen für die Schweiz überarbeitet. Nachdem die SNB ihren Zinssenkungszyklus begonnen hat, wird sie weitere Zinssenkungen machen müssen, um nicht unglaubwürdig zu werden. Ein einzelner Zinsschritt um 0.25% hat keine spürbaren Auswirkungen auf die Konjunktur und wird auch als Argument gegen einen starken Franken verpuffen. Da die Zinsdifferenz zu den USA und zum Euroraum durch die Leitzinssenkung noch etwas grösser geworden ist, muss die SNB aber nicht sofort reagieren, wenn die Fed und vor allem die EZB im Juni ihrerseits mit Zinssenkungen beginnen werden. Wir erwarten daher die nächste Leitzinssenkung der SNB erst im September, gefolgt von einem dritten Zinsschritt ein halbes Jahr später im nächsten März. Zinssenkungen unter die Marke von 1.00% erachten wir nicht als notwendig, sofern die Inflation nicht deutlich unter 1% fällt und deflationäre Gefahren drohen. Davon gehen wir nicht aus. Auf die längerfristigen Zinssätze haben die gestrige und die zukünftig zu erwartenden Leitzinssenkungen der SNB nur geringe Auswirkungen, da diese vom Kapitalmarkt bereits eingepreist wurden. Wir erwarten deshalb, dass sich die Kapitalmarktzinsen auf dem heutigen Niveau von 1.05% der 5-jährigen Zinsen und 1.15% im 10-Jahres-Bereich seitwärts bewegen.

Aktienmarkt Schweiz

SMI: +0.73%, SPI: +0.84%, SMIM: +1.34%

Nach der überraschenden Ankündigung der SNB den Leitzins zu senken, sprang der Schweizer Aktienmarkt in die Höhe und notierte zeitweise bei rund 11'780 Punkten, was einem Anstieg von knapp 1.4% entsprach. Ein Teil der Gewinne bröckelte jedoch im Laufe des Tages ab und der Leitindex SMI schloss schlussendlich 0.7% höher. Zudem sorgten auch die Aussagen der US-Notenbank Fed vom Mittwochabend für eine gute Stimmung an den Aktienmärkten. Diese liess den Leitzins zwar wie erwartet unverändert, allerdings wurden für den weiteren Jahresverlauf Zinssenkungen in Aussicht gestellt. Von den 20 SMI-Titeln schlossen 18 in der Gewinnzone und lediglich 2 im Minus. Einer der Verlierer war Roche (-2.6%). Der Pharmariese gab gestern Morgen einen Rückschlag bei einem Medikament seiner japanischen Tochterfirma Chugai zur Behandlung einer Autoimmunkrankheit bekannt. Ebenfalls leichte Abgaben musste Zurich Insurance (-0.5%) hinnehmen. Praktisch unverändert ging der Aroma- und Duftstoffhersteller Givaudan (+0.02%) aus dem Handel. Ebenfalls wenig Beachtung fanden defensive Werte wie Swisscom (+0.3%) oder Nestlé (+0.4%). An der Tabellenspitze standen zinssensitive Wachstumswerte wie Partners Group (+4.3%), Lonza (+2.7%) und Sonova (+2.6%). Die Grossbank UBS (+2.2%) konnte ihren Aufwärtstrend fortsetzen. Am breiten Markt konnten unter anderem die Aktien von VAT (6.2%) und Julius Bär (+4.4%) deutlich zulegen. Bergab ging es hingegen für den Versicherer Helvetia (-4.7%), nachdem ein Broker seine Verkaufsempfehlung bekräftigte. Der Generikahersteller Sandoz, der gestern die Eröffnung seines Antibiotikawerks in Österreich bekannt gab, gehörte mit einem Rückgang von 1.3% ebenfalls zu den Verlierern.

Aktienmärkte Europa

EuroStoxx50: +1.04%, DAX: +0.91%

Die europäischen Aktienmärkte haben nach den Aussagen der US-Notenbank zum rückläufigen Zinspfad deutlich zulegt. Der EuroStoxx50, der erstmals seit 24 Jahren die Marke von 5'000 Punkten wieder überschritt, schloss schlussendlich 1.0% höher. Der französische CAC40 erzielte im Laufe des Vormittags ein neues Allzeithoch. Allerdings musste er einen Teil der Gewinne wieder abgeben und notierte bei Handelsschluss 0.2% höher. Deutlichen Aufwind hatte der britische FTSE100, der 1.9% höher aus dem Handel ging. Die britische Notenbank beliess an ihrer gestrigen Sitzung den Leitzins bei 5.25%, kündigte jedoch an, dass eine Zinssenkung bald realistisch sei. Aus Branchensicht musste einzig der Versorgersektor leichte Verluste hinnehmen. An der Tabellenspitze notierten die Branchen Technologie, Immobilien, Grundstoffe und Finanzen.

Aktienmärkte USA

DowJones: +0.68%, S&P500: +0.32%; Nasdaq: +0.20%

Angetrieben durch die Äusserungen der Fed vom Vorabend surften die amerikanischen Aktienmärkte auf der Aufwärtswelle weiter. Die grossen Indizes erreichten weitere Höchststände. Der Leitindex DowJones schloss 0.7% höher, während der marktbreite S&P500 sowie der technologielastige Nasdaq um 0.3% bzw. 0.2% höher aus dem Handel gingen. Auf Einzeltitelebene fielen die Aktien von Micron (+14.1%) auf. Der Halbleiterkonzern überzeugte die Marktteilnehmer mit dem Quartalsausblick. Der Grund für die überraschend hohen Umsatzziele ist gemäss dem Management die Nachfrage nach Produkten, welche im Zusammenhang mit Künstlicher Intelligenz stehen. Unter Abgabedruck standen erneut die Aktien von Apple (-4.1%). Der iPhone-Hersteller litt unter einer eingereichten Klage des US-Justizministeriums. Die US-Regierung wirft Apple unfairen Wettbewerb vor.

Unternehmensberichte

Nike publizierte gestern nach Börsenschluss die Zahlen zum verschobenen 3. Quartal 2023/24 (per Ende Februar). Der Sportartikelhersteller erzielte im abgelaufenen Quartal einen Umsatz von USD 12.4 Mrd., was mit einem Anstieg von 0.3% minim besser war als in der Vorjahresperiode. Insbesondere die Umsatzanstiege in Nordamerika von 3% sowie im wichtigen Markt Grosschina mit rund 5% verhalfen Nike zum Ergebnis. Der Bruttogewinn stieg um 4% auf USD 5.6 Mrd. Die entsprechende Marge konnte Nike um 150 Basispunkte auf 44.8% erhöhen. Dabei profitierte der Sportartikelhersteller von Preisanpassungen sowie von niedrigeren Fracht- und Logistikkosten. Unter dem Strich verblieb im 3. Quartal ein Reingewinn von USD 1.2 Mrd., was einem Rückgang im Vergleich zur Vorjahresperiode von 5% entspricht. Mit dem Ergebnis übertrifft Nike die Markterwartungen leicht. Die Aktie von Nike drehte nachbörslich nach anfänglichen Gewinnen ins Minus. Gestern wurde zudem bekanntgegeben, dass der Deutsche Fussball-Bund (DFB) den Vertrag mit adidas, der seit über 70 Jahren der Ausrüster des DFB ist, auslaufen lässt und ab 2027 von Nike ausgestattet wird.

Kapitalmärkte

Rendite 10 Jahre

USA: 4.243% DE: 2.403% CH: 0.593%

Im Nachgang an den Zinsentscheid der US-Notenbank Fed vom Mittwochabend hat sich bei den oft richtungsweisenden US-Zinsen wenig geändert. Der 10-jährige US-Treasury notiert weiterhin bei rund 4.25%. Für Bewegung sorgte hingegen der überraschende Zinsschritt der Schweizerischen Nationalbank. Nach Bekanntgabe der Zinssenkung um 0.25% fielen die Schweizer Zinsen über sämtliche Laufzeiten leicht zurück.

Währungen

US-Dollar in Franken: 0.8989
Euro in US-Dollar: 1.0837
Euro in Franken: 0.9740

Der Schweizer Franken hat sich nach der überraschenden SNB-Leitzinssenkung gegenüber sämtlichen G10-Währungen deutlich abgeschwächt und notiert beispielsweise gegenüber dem Euro und dem US-Dollar auf einem neuen Jahrestief. Von überraschend guten Konjunkturdaten profitierte hingegen der US-Dollar, der gegenüber sämtlichen G10-Währungen an Boden gutmachen konnte.

Rohwarenmärkte

Ölpreis WTI: USD 80.48 pro Fass
Goldpreis: USD 2'174.80 pro Unze

Der Ölpreis und der Goldpreis haben am gestrigen Handelstag wieder leicht nachgelassen. Belastet wurden die Preise jedoch in erster Linie durch den gestiegenen Dollarkurs, der die Rohwaren für ausländische Investoren deutlich teurer machte.

Wirtschaft und Konjunktur

USA: Einkaufsmanagerindex Industrie (März)
letzter: 52.2 erwartet: 51.8; aktuell: 52.5
USA: Einkaufsmanagerindex Dienstleistungen (März)
letzter: 52.3; erwartet: 52.0; aktuell: 51.7

Die Aussichten für die US-Wirtschaft bleiben gemäss der aktuellen Einkaufsmanager-Umfrage von S&P Global positiv. Zwar hat sich der Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungsbereich gegenüber dem Vormonat etwas eingetrübt, gleichzeitig hat sich jedoch sein Pendant für das verarbeitende Gewerbe erneut verbessert. Damit notieren beide Teilindizes weiterhin über der Wachstumsschwelle von 50 Punkten, was weiteres Wirtschaftswachstum verspricht.

Eurozone: Einkaufsmanagerindex Industrie (März)
letzter: 46.5; erwartet: 47.0; aktuell: 45.7
Eurozone: Einkaufsmanagerindex Dienstleistungen (März)
letzter: 50.2; erwartet: 50.5; aktuell: 51.1

Die neusten vorlaufenden Indikatoren aus der Eurozone geben derweil ein gemischtes Bild ab. Der Einkaufsmanagerindex aus dem Dienstleistungsbereich verbesserte sich gegenüber dem Vormonat deutlich und liegt damit das zweite Mal seit vergangenem Sommer über 50 Punkte. Der Einkaufsmanagerindex aus der Industrie hingegen hat sich gegenüber Februar weiter eingetrübt und liegt damit nach wie vor deutlich unter der Wachstumsschwelle, was auf eine weitere Verschlechterung der Wirtschaftslage hindeutet. Mit einem Wert von 41.6 Punkten zeigt sich insbesondere die deutsche Industrie im Krisenmodus.

USA: Philadelphia Fed Geschäftsklima (März)
letzte: +5.2; erwartet: -2.5; aktuell: +3.2

Der gestern veröffentlichte Geschäftsklimaindex der Philadelphia Fed, welcher die Aktivität im Industriesektor misst, notiert auch im März entgegen den Erwartungen im Plus. Insbesondere die beiden wichtigen Subindizes «Offene Aufträge» und «Auftragseingang» vermelden gegenüber dem Vormonat eine deutliche Verbesserung.

USA: Vorlaufende Konjunkturindikatoren (Februar)
letzte: -0.4%; erwartet: -0.1%; aktuell: +0.1%

Der Index der vorlaufenden Indikatoren, welcher vom Conference Board erhoben wird, stieg im Februar etwas überraschend um 0.1%. Der Sammelindex setzt sich aus zehn Frühindikatoren, wie beispielsweise den Neuaufträgen in der Industrie oder den Arbeitslosenanträgen, zusammen.

Anja Felder

Finanzanalystin
Stauffacherstrasse 41
8021 Zürich
Ansicht vom Gebäude der Niederlassung der St.Galler Kantonalbank in Zürich

Patrick Häfeli

Senior Strategieanalyst Fixed Income
Stauffacherstrasse 41
8021 Zürich
Ansicht vom Gebäude der Niederlassung der St.Galler Kantonalbank in Zürich