08. April 2024, Tägliche Marktsicht

Die Aura der Schwellenländer ist verflogen

Ein Übergewicht in Aktien der Schwellenländer ist aktuell nicht angesagt.

Im Fokus

Es ist noch nicht lange her, da waren die Aktien der Emerging Markets die heutigen KI-Titel. Wer nicht zu den ewig gestrigen zählen wollte, musste auch über seine Investitionen in den BRICS-Aktien und den daraus resultierenden Traumgewinnen erzählen können. Wer als Strategieberater etwas auf sich hielt, empfahl ein deutliches Übergewicht in den Schwellenländern gegenüber der langweiligen «old economy» der Industrieländer. Die zweistelligen Wachstumsraten in China und die Bilder der eindrücklichen Skyline von Shanghai beeindruckten die Wahrnehmung der Investoren und der Consultants. In den Jahren vor der Finanzkrise floss das Geld in Strömen in die Schwellenländer. Der MSCI Emerging Markets-Index stieg zwischen 2003 und 2008 um 350%. Was waren dagegen die fast lächerlichen Gewinne von 100% der Aktien aus den Industrieländern. Mit dem Ausbruch der Finanzkrise wurde das Geld panikartig aus den Emerging Markets abgezogen und die schönen Gewinne gingen innert kurzer Zeit verloren. Genauso schnell floss das Geld aber wieder zurück, nachdem die Welt doch nicht zusammenkrachte. Seit 2010 sieht es anders aus. Der MSCI Emerging Marktes steht immer noch am am gleichen Ort, während der MSCI World ohne die Schwellenländer sich in dieser Zeit verdreifacht hat. Dennoch empfehlen viele Berater immer noch, die Aktien der Schwellenländer überdurchschnittlich stark zu gewichten.

Faktisch waren die Emerging Markets schon seit längerem eine Wette auf China, allenfalls noch auf Taiwan, Südkorea und Indien. Vor Ausbruch der Corona-Pandemie hatten die chinesischen Aktien im MSCI Emerging Marktes ein Gewicht von 31%. Heute ist es auf knapp 23% gesunken, nachdem Anlagen in China nicht mehr so gesucht sind. Dafür hat das Gewicht von Indien und Taiwan zugenommen. Die vier erwähnten Länder machen zusammen 70% der Indexgewichtung aus. Von einem wirtschaftlichen und politischen Klumpenrisiko zu sprechen, ist daher nicht allzu falsch.

Die Wachstumsraten in China und in Indien sind immer noch deutlich höher als in den USA oder in Westeuropa. Das Argument, dass man über die EMMA-Aktien von diesem überdurchschnittlichen Wachstum profitieren kann, gilt grundsätzlich immer noch. Die Wachstumsdifferenz ist aber kleiner geworden. Ob die Zahlen aus China und Indien präzise stimmen, darf zudem hinterfragt werden. Im Zweifelsfall werden sie eher zu positiv als zu negativ ausgewiesen. Verändert hat sich dagegen die Wahrnehmung der mit Investitionen in diesen Ländern verbundenen Risiken, sowohl bei den Anlegern als auch bei den Unternehmen. Die jährlichen Direktinvestitionen in China sind gemäss Daten der Weltbank von 2010 bis 2022 von 4% auf 1% des chinesischen BIP gesunken. Die Direktinvestitionen in Indien pendeln im Bereich zwischen 1.5% und 2% des BIP. Sowohl China als auch Indien sind als Schwellenländer aber auf ausländische Investitionen angewiesen. Die Vorgänge rund um Alibaba haben den Investoren vor Augen geführt, dass ihre Anlagen in China den willkürlichen Eigeninteressen einer autokratischen Regierung ausgesetzt sind. Die Spannungen zwischen den USA und China haben die politischen Risiken zusätzlich erhöht. Die seit zwei Jahren blockierten Aktien russischer Unternehmen lassen grüssen.

Das Wachstumspotenzial in den Schwellenländern spricht nach wie vor dafür, sich dort zu engagieren. Die Risiken sind aber nicht zu unterschätzen. Diese widerspiegeln sich in der im Vergleich zu den US-Aktien deutliche tieferen und damit attraktiveren Bewertung der EMMA-Aktien. Sich ganz aus dieser Region zu verabschieden, ist nicht angebracht. Dafür repräsentieren sie einen zu grossen Anteil an der Weltwirtschaft und am globalen Aktienmarkt. Sie in der Strategischen Asset Allocation zu stark zu gewichten, ist jedoch mutig, um nicht zu sagen übermütig.

Aktienmärkte

US-Aktienmärkte
Dow Jones: +0.70%, S&P500: +1.11%, Nasdaq: +1.24%

Europäische Aktienmärkte
EuroStoxx50: -1.10%, DAX: -1.24%, SMI: -1.67%

Asiatische Märkte
Nikkei 225: +0.81%, HangSeng: -0.09%, S&P/ASX 200: +0.10%

Die Anlegerinnen und Anleger haben die Aussage eines eher unbekannten Fed-Vertreters, dass es in diesem Jahr eventuell keine Zinssenkung geben könnte, zum Anlass für Gewinnmitnahmen genommen. Nach dem über Wochen dauernden Aufschwung der Kurse ist das nicht weiter verwunderlich und für den Aktienmarkt nicht ungesund. Der S&P 500 verlor letzte Woche 0.95%. Die europäischen Aktien sanken 1.35%, während der Swiss Performance Index die Woche mit einem Minus von 1.86% abschloss.

Die wirtschaftliche Entwicklung der US-Wirtschaft zeigt sich weiter robust, trotz der hohen Leitzinsen. Insbesondere der Binnenmarkt ist gut in Schuss und wird durch die Konsumfreudigkeit gestützt. Diese wiederum wird durch höhere Reallöhne sowie eine hohe Jobsicherheit gespiesen. Die Angst vor einer Rezession verschwindet zunehmend aus den Köpfen der Anleger. Entsprechend sind risikoreichere Aktienanlagen gesucht. Die gut ausgefallene Gewinnsaison der Unternehmen gibt den Marktteilnehmern zusätzliches Vertrauen, dass Aktien weiterhin die bevorzugte Anlageklasse sind. Unterstützung erhalten die Aktienmärkte zudem von der Aussicht auf baldige Zinssenkungen durch die US-Notenbank. Diese lässt sich aufgrund der weiter erhöhten Inflation zwar alle Optionen offen. Aktuell steigen die Preise in den USA weiterhin stärker als die 2%, welche die US-Notenbank mittelfristig als Preisstabilität ausgegeben hat. Die Prognosen der US-Notenbank-Mitglieder deuten aber auf drei Zinssenkungen in diesem Jahr, was den Aktienmärkten zusätzlichen Rückenwind gibt. Das grösste Risiko für diesen Zinspfad und damit auch für die Aktien bleibt eine länger als erwartete hohe Inflation. Insbesondere nicht kalkulierbare geopolitische Risiken, welche die Energiepreise in die Höhe treiben könnten, sind ein latentes Risiko für eine höhere Inflation. Wir erwarten dennoch, dass die Aktienmärkte weiter mit Rückenwind rechnen dürfen.

Kapitalmärkte

Renditen 10 J: USA: 4.424%; DE: 2.399%; CH: 0.759%

Die US-Wirtschaft zeigt sich solide, insbesondere der Arbeitsmarkt. Das ist nicht das konjunkturelle Umfeld, welches massive Zinssenkungen der Fed benötigt. Die Anpassung der Zinserwartungen nach oben geht weiter. Das spüren vor allem die Anleihen in den USA und allenfalls noch in der Eurozone. Dort steigen die Renditen. Die Schweizer Obligationen interessiert das nur am Rande.

Währungen

US-Dollar in Franken: 0.9040
Euro in US-Dollar: 1.0832
Euro in Franken: 0.9792

Die Devisenkurse haben sich nach der Zinssenkung der SNB auf einem neuen Niveau eingependelt und warten nun auf neue Impulse der Notenbanken. Sollte die Fed die Zinsen im Juni noch nicht senken, würde das dem US-Dollar zu einem neuen Auftrieb verhelfen.

Rohstoffmärkte

Ölpreis WTI: USD 85.65 pro Fass
Goldpreis: USD 2'342.92 pro Unze

Die mögliche Eskalation im Nahen Osten nach dem Angriff Israels auf ein Gebäude der syrischen Botschaft in Damaskus treibt den Ölpreis nach oben. Die kurzfristig orientierten Investoren am Ölmarkt wittern eine neue Chance. Fundamental ist der Anstieg des Ölpreises nicht gerechtfertigt.

Wirtschaft

USA: Non Farm Payrolls (März) letzte: 270’000; erwartet: 214’000; aktuell: 303’000
USA: Arbeitslosenrate (März) letzte: 3.9%; erwartet: 3.8%; aktuell: 3.8%

In den USA wurden auch im März wieder viele Stellen geschaffen, vor allem im Gesundheitswesen, im Bausektor und bei den reisebezogenen Dienstleistungen. Die Arbeitslosenrate ist wieder leicht gesunken und die Löhne steigen tüchtig an. Die Fed ist nicht unter Druck, schon bald über rasche und grosse Zinssenkungen nachdenken zu müssen.

Thomas Stucki

Leiter Investment Center
Stauffacherstrasse 41
8021 Zürich
Ansicht vom Gebäude der Niederlassung der St.Galler Kantonalbank in Zürich