30. Oktober 2023, Tägliche Marktsicht

Sicherheit gibt es an den Finanzmärkten nicht

Um die Kaufkraft seines Vermögens zu erhalten, muss man bereit sein, Risiken einzugehen.

Im Fokus

Die Angst vor einer Eskalation im Nahen Osten belastet die Finanzmärkte. Die Anlegerinnen und Anleger sind verunsichert und möchten sich vor Verlusten schützen. Die Flucht vor dem Sturm in die rettenden Buchten ist die naheliegende Reaktion. Der Goldpreis steigt und der Franken wird gesucht. Dabei sind weder der Goldpreis noch der Franken von ihrer ökonomischen Grundlage her sichere Anlagen. Gold wirft keinen Ertrag ab und ist industriell kaum nutzbar. Die Zinsen im Franken sind deutlich tiefer als in anderen Währungen. Einen Markt für kurzfristige Geldmarktanlagen des Staates gibt es im Franken mit Ausnahme der weitgehend unbekannten und nicht handelbaren Geldmarktbuchforderungen nicht. Sowohl das Gold als auch der Franken profitieren in schwierigen Situationen vom Vertrauen darin, dass sie in der Krise den Wert erhalten. Ist die Krise dann vorbei, verliert zumindest der Goldpreise meistens wieder tüchtig an Wert.

Unter dem Kissen oder im Safe Bargeld zu horten, ist auch keine gute Idee. Neben der Gefahr des Diebstahls, welche noch minimiert werden kann, frisst die Inflation gnadenlos an der Kaufkraft. Auf dem Sparkonto gibt es seit dem letzten Jahr wieder etwas Zins. Die Inflation kompensiert die durchschnittliche Verzinsung der Sparkonti gemäss den Daten der SNB jedoch nur in deflationären Phasen und diese sind in der Schweiz nicht der Standard. Zudem können auch Banken in Schwierigkeiten geraten, wie wir in diesem Frühling einmal mehr gelernt haben. Die volle Sicherheit gibt es an den Finanzmärkten nicht. Um die Kaufkraft seines Vermögens zu erhalten, muss man bereit sein, Risiken einzugehen. Wichtig ist das Mass und vor allem, für welche Risiken man sein Geld einsetzt.

Naheliegend als möglichst sichere Anlage sind Obligationen in Franken. Diese sind den Zinsrisiken und den Kreditrisiken der Emittenten ausgesetzt. Der Handel mit Obligationen ist teuer, weshalb die Anleihen im Normalfall bis zu ihrer Rückzahlung gehalten werden sollten. Mit einem Obligationenportfolio, dass eine gute Staffelung der Verfalltermine ausweist, kann über einen Inflations- und Zinszyklus eine leicht positive Realrendite und damit der Kapitalerhalt erzielt werden. In Phasen mit steigenden Zinsen wie 2022 gibt es zwar Buchverluste, die aber über eine in der Folge höhere Rendite des Portfolios kompensiert werden.

Beliebt ist auch die These, dass hohe Dividenden von Aktien die Sicherheit im Portfolio gewährleisten. Dieses Argument hat etwas an sich, greift aber zu kurz. Wenn eine Firma gute Dividenden bezahlen kann, ist das ein Zeichen, dass ihr Geschäftsmodell über eine längere Zeit Mehrwert schaffen kann. Die Voraussetzung für diese Annahme ist, dass die Dividenden über den gesamten Konjunkturzyklus aus dem operativen Gewinn finanziert werden können. Nur dann sind die Dividendenausschüttungen auch stabil. Man darf aber nicht vergessen, dass auch Dividendenaktien dem Auf und Ab an den Aktienmärkten ausgesetzt sind. Die Kursschwankungen sind zwar geringer als bei den Wachstumsaktien, aber sie können in einem schwierigen Aktienumfeld auch grösser sein. Diese Schwankungen muss man aushalten können, sowohl finanziell wie emotional.

Am besten ist es, wenn man akzeptiert, dass das Leben als Anlegerin oder Anleger nicht risikolos ist. Dann kann man die Risiken, die man eingehen will, gezielt auswählen. Wichtig ist, dass man seine Leidensfähigkeit nicht überschätzt und dass die Risiken transparent sind. Darum lieber ein Aktienportfolio mit bekannten Firmen, ergänzt durch Obligationen in Franken und genügend Liquidität für die vorhersehbaren Ausgaben der nächsten Zeit, als eine intransparente Anlage, die einem als risikolose Geldmaschine angeboten wird.

Aktienmärkte

US-Aktienmärkte
Dow Jones: -1.12%, S&P500: -0.48%, Nasdaq: +0.38%

Europäische Aktienmärkte
EuroStoxx50: -0.87%, DAX: -0.30%, SMI: -0.42%

Asiatische Märkte
Nikkei 225: -1.05%, HangSeng: -0.37%, S&P/ASX 200: -0.09%

Der Kriechgang an den Aktienmärkten geht weiter. Verschiedene Anläufe zu einer Gegenbewegung nach oben wurden nach kurzer Zeit abgebrochen. Gemischt ausgefallene Unternehmenszahlen, der Nahostkonflikt und hohe Zinsen in den USA sind kein gesunder Cocktail für die Börsen. Der S&P 500 verlor letzte Woche 2.53%. Die europäischen Aktien sanken 0.26%, während der Swiss Performance Index die Woche mit einem Minus von 0.45% abschloss.

Die Optimisten an den Finanzmärkten bilden momentan ein kleines Grüppchen. Als seien die Problemfelder mit den hohen Zinsen, einer hartnäckigen Inflation und einer drohenden Rezession nicht schon umfassend genug, hat der Ausbruch der Kämpfe in Israel die Unsicherheit zusätzlich erhöht. Die Risikofreude der Investoren hat weiter abgenommen und die klassischen sicheren Häfen wie das Gold oder der Schweizer Franken sind gesucht. Von Bedeutung für die Weltwirtschaft ist der Nahe und Mittlere Osten über den Export von Erdöl und Erdgas. Deutlich höhere Energiepreise würden die Bemühungen der Notenbanken, die Inflation unter Kontrolle zu bringen, erschweren und die sich schon abschwächende Konjunktur zusätzlich belasten. Der Ölpreis ist gestiegen, befindet sich aber weit unter den Höchstständen des letzten Jahres. Solange Länder wie der Iran oder Saudi-Arabien nicht direkt in den Konflikt einbezogen sind, wird sich daran nichts ändern. Die direkten negativen Auswirkungen des Nahost-Konflikts beurteilen wir als gering. Die Unsicherheit wird jedoch bleiben. Stärker als durch den Nahost-Konflikt werden die Aktien durch den starken Anstieg der Kapitalmarktzinsen in den USA belastet. „Higher for longer“ heisst das neue Schlüsselwort an den Finanzmärkten. Zwar werden keine zusätzlichen Zinserhöhungen der Zentralbanken mehr erwartet, rasche Zinssenkungen aber eben auch nicht mehr. Darum fällt ein wichtiger positiver Impuls für die Aktien weg. Das wird sich wieder ändern, weil die Zinsen in den USA für die Wirtschaft auf dem heutigen Niveau ein Bremsklotz sind. Die Fed wird die ihren Leitzins ab dem nächsten Sommer daher wieder senken. Die Diskussion um den Zeitpunkt der ersten Zinssenkung wird schon früher einsetzen, aber wohl erst nach der Jahreswende. Deshalb kann es an den Aktienmärkten in den kommenden Wochen ungemütlich bleiben und wir rechnen weiter mit erhöhten Kursausschlägen.

Kapitalmärkte

Renditen 10 J: USA: 4.871%; DE: 2.832%; CH: 1.131%

Die Kapitalmarktzinsen in den USA sind seit Jahresmitte deutlich angestiegen, obschon die Fed den Leitzins nicht mehr erhöht hat. Die Zinsen in der Schweiz haben die Vorgaben aus Übersee entgegen dem üblichen Vorgehen gänzlich ignoriert. Was das für die Zukunft heisst, stellt der Fondsverwalter unserer Obligationenfonds Patrick Häfeli im neuen «Zins Trend» dar. Dieser kann hier bezogen werden.

Währungen

US-Dollar in Franken: 0.9031
Euro in US-Dollar: 1.0561
Euro in Franken: 0.9538

Der Franken ist wieder etwas schwächer geworden, sowohl zum US-Dollar als auch zum Euro. Das ist nach den kürzlichen Aufwertungen nicht weiter verwunderlich. An unserer Einschätzung, dass der Franken stark bleiben wird, ändert sich dadurch nichts.

Rohstoffmärkte

Ölpreis WTI: USD 84.28 pro Fass
Goldpreis: USD 2'001.25 pro Unze

Der Goldpreis ist erstmals seit dem Mai wieder auf 2'000 US-Dollar pro Unze gestiegen. Das unsichere Umfeld hilft dem gelben Metall. Gold wird in den nächsten Tagen weiterhin gesucht sein.

Wirtschaft

USA: PCE Core Deflator (September) letzter: 3.8%; erwartet: 3.7%; aktuell: 3.7%

Hinter dem Namen «PCE Core Deflator» versteckt sich das Inflationsmass, dass die Fed besonders verfolgt. Es umfasst die Preise der Konsumgüter ohne Energie und Nahrungsmittel. Die Zahlen vom September bestätigen den Trend, dass der Inflationsdruck nur langsam, aber doch stetig kleiner wird.

Thomas Stucki

Leiter Investment Center
Stauffacherstrasse 41
8021 Zürich
Ansicht vom Gebäude der Niederlassung der St.Galler Kantonalbank in Zürich