
20. November 2023, Tägliche Marktsicht
Die Verlockungen hoher Renditen sind zurück
Die Freude, mit sicheren Franken-Obligationen eine ansprechende Rendite erzielen zu können, war von kurzer Dauer.
Im Fokus
Die Freude, mit sicheren Franken-Obligationen eine ansprechende Rendite erzielen zu können, war von kurzer Dauer. Die Renditen liegen nicht mehr bei 2% wie noch vor einem Monat, sondern eher im Bereich von 1.5%. Das lässt das Anlegerherz nicht mehr jubeln und erfüllt die erforderliche Rendite vieler institutioneller Anleger nicht. Deshalb sind wieder Alternativen gefragt, mit denen man mehr verdienen kann. An den AT1-Anleihen hat man sich schon die Finger verbrannt, die kommen nicht mehr in Frage. High Yield-Anleihen will man auch nicht, da bei einer Rezession die Ausfallraten der Emittenten steigen. Also greift man bei den Emerging Market Bonds in Hard Currency zu. Entsprechende ETF rentieren weit über 8%. Sichert man das US-Dollar-Risiko gegen Franken ab, bleiben immer noch fast 5% Rendite und das bei einer Anlage in Staatsanleihen, nicht in exotischen Währungen, sondern in harten US-Dollars. Kein Wunder, ist diese Anlageklasse bei vielen Investoren so beliebt.
Vielleicht sollte man sich vor dem Kauf aber doch damit befassen, in was man eigentlich investiert. Im Bloomberg Emerging Marktes USD Bond Index hat Saudi-Arabien mit einem Anteil von 9.2% das grösste Gewicht. Die Ölländer rund um den Persischen Golf machen zusammen einen Fünftel des Portfolios aus. Ob das mit den Nachhaltigkeitsbemühungen, die man so gerne ins Schaufenster stellt, vereinbar ist, darf zumindest hinterfragt werden. Im Ranking der Gewichtung folgt hinter Saudi-Arabien an zweiter Stelle die Türkei mit 8.5% und danach Indonesien mit 7.4%. Beide Länder gelten nicht als Hort der wirtschaftlichen Stabilität. Nicht zu vergessen die Länder in Südamerika, welche wie Venezuela und Argentinien unter einer miserablen Wirtschaftslage leiden und politisch instabil sind.
Dass die gehaltenen Anleihen in vertrauenswürdigen US-Dollars denominiert sind, ist nur Augenwischerei. Im Gegenteil: Die Schulden in fremder Währung sind das grosse Damoklesschwert der Schwellenländer. Wirtschaftliche Krisen werden meistens dadurch ausgelöst, dass die Zahlungen in US-Dollar nicht mehr geleistet werden können, weil die eigene Währung stark an Wert verloren hat. Die Kosten der Zinsen, die sie für die Dollar-Anleihen bezahlen muss, haben sich für die Türkei in den letzten fünf Jahren aufgrund der Abwertung der Türkischen Lira fast versechsfacht. Argentinien muss im Vergleich zu 2018 das neunfache bezahlen. Zumindest konnten die erwähnten Ölländer ihre Währung zum US-Dollar in einem engen Band halten. Dazu kommen die politischen Risiken, einerseits durch die oft instabile Lage in den Ländern, andererseits durch die latente Gefahr von Sanktionen durch die USA. So wurden die russischen Anleihen nach dem Einmarsch in die Ukraine praktisch wertlos erklärt und aus dem Index gestrichen.
Dass man auf einem Teil des Obligationenportfolios mehr verdienen will als auf Franken-Obligationen, ist verständlich. Dass das nicht ohne zusätzliche Risiken geht, scheint aber oft vergessen zu werden. Diese Risiken einzuschätzen, ist eine zentrale Aufgabe beim Investieren. Bei den AT1-Anleihen ist es die Konzentration auf den Bankensektor und das Kleingedruckte in den Prospekten. Diese Risiken kann man eingehen wollen oder nicht. Bei den High Yield-Anleihen ist es das Kreditrisiko der Emittenten. Mit einer guten Diversifikation der Schuldner, beispielsweise über breit diversifizierte Kollektivgefässe, kann das Kreditrisiko in einem vernünftigen Rahmen gehalten werden. Bei Anleihen aus den Emerging Markets ist es dagegen schwierig, die Übersicht über die unterschiedlichen Risiken zu behalten.
Aktienmärkte
US-Aktienmärkte
Dow Jones: +0.01%, S&P500: +0.13%, Nasdaq: +0.08%
Europäische Aktienmärkte
EuroStoxx50: +0.89%, DAX: +0.84%, SMI: +0.89%
Asiatische Märkte
Nikkei 225: -0.57%, HangSeng: +1.80%, S&P/ASX 200: +0.13%
Die Zinshoffnungen halten an und sorgen für eine optimistische Stimmung an den Börsen. Etwas tiefer als erwartet ausgefallene Inflationszahlen in den USA sorgen für die Party. So sorgenfrei wie die Inflationslage aktuell gesehen wird, ist sie aber nicht. Der S&P 500 legte letzte Woche 2.24% zu. Die europäischen Aktien stiegen 3.42%, während der Swiss Performance Index die Woche mit einem Plus von 1.90% abschloss.
Die Optimisten kommen an die Aktienmärkte zurück. Dabei hat sich an den Rahmenbedingungen nur wenig verändert. Die Problemfelder mit den hohen Zinsen, einer hartnäckigen Inflation und einer drohenden Rezession werden ergänzt durch die anhaltenden Kämpfe in Israel. Von Bedeutung für die Weltwirtschaft ist der Nahe und Mittlere Osten über den Export von Erdöl und Erdgas. Deutlich höhere Energiepreise würden die Bemühungen der Notenbanken, die Inflation unter Kontrolle zu bringen, erschweren und die sich schon abschwächende Konjunktur zusätzlich belasten. Der Ölpreis befindet sich aber weit unter den Höchstständen des letzten Jahres. Solange Länder wie der Iran oder Saudi-Arabien nicht direkt in den Konflikt einbezogen sind, wird sich daran nichts ändern. Die direkten negativen Auswirkungen des Nahost-Konflikts beurteilen wir als gering. Die Unsicherheit wird jedoch bleiben. Zwar sind zusätzliche Zinserhöhungen der Zentralbanken nicht mehr zu erwarten, rasche Zinssenkungen aber eben auch nicht. Das wird sich ändern, weil die Zinsen in den USA für die Wirtschaft auf dem heutigen Niveau ein Bremsklotz sind. Die Fed wird die ihren Leitzins ab dem nächsten Sommer daher wieder senken.
Kapitalmärkte
Renditen 10 J: USA: 4.453%; DE: 2.588%; CH: 0.997%
Die Zinsen an den Kapitalmärkten fallen weiter. Man könnte meinen, die Zentralbanken senken ihre Zinsen wie nach der Finanzkrise oder nach dem Ausbruch von Corona rasch auf tiefe Werte. Diese Erwartung ist aus unserer Sicht nicht realistisch, weshalb die Bewegung der Renditen nach unten übertrieben ist.
Währungen
US-Dollar in Franken: 0.8839
Euro in US-Dollar: 1.0918
Euro in Franken: 0.9651
Der US-Dollar wurde von einem neuerlichen Schwächeanfall heimgesucht, nachdem die Inflationsrate 0.1% tiefer ausgefallen ist als von den Märkten erwartet. Rational lässt sich diese Schwäche nicht begründen.
Rohstoffmärkte
Ölpreis WTI: USD 76.45 pro Fass
Goldpreis: USD 1'979.89 pro Unze
Der Ölpreis fällt weiter. Die Angst vor einer Ausweitung der Krise im Nahen Osten verflüchtigt sich, während die Befürchtungen um einen Rückgang der Nachfrage nach Öl wieder Oberwasser bekommen. Die Förderkürzungen der Opec-Länder verpuffen in diesem Umfeld wirkungslos.
Wirtschaft
Wirtschaftliche Neuigkeiten gibt es wie in der Monatsmitte üblich aktuell nur spärlich. Diese Woche wird sich daran wenig ändern. Ab Mitte Woche werden sich die Amerikaner Thanksgiving widmen und in Europa steht auch nicht viel auf dem Menu der Konjunkturdaten.
Thomas Stucki

8021 Zürich
